un/verzichtbar

Es macht mich immer wieder traurig, zu lesen, wenn irgendwo ein Orchester dem Rotstift zum Opfer fallen oder ein Theater geschlossen werden soll, um einen städtischen Haushalt zu entlasten.
Gerade wird so eine Diskussion in Bonn geführt. Die Stadt hat kein Geld, ein Notfallplan muss her – sofort steht die Existenzberechtigung des Theaters Bonn zur Diskussion.
So geschehen auch vor ein paar Jahren in Görlitz. Görlitz ist eine Stadt in Ostdeutschland mit ca. 50.000 Einwohnern und einem, in 100 Kilometern Umkreis einzigen, Musiktheater. Die Stadt gehört zum Regierungsbezirk Dresden und einige Beamte in der sächsischen Landeshauptstadt sind es auch, die den Görlitzer Stadthaushalt genehmigen müssen, bevor in Görlitz irgendetwas ausgegeben werden kann.
2003 (korrigiert mich bitte, wenn ich das Jahr falsch in Erinnerung habe aber ich finde partout keine Informationen mehr dazu) wurde der Haushaltsplan für eben dieses Jahr nicht genehmigt. Die Papiere kamen zurück mit der Auflage, einen sparsameren Plan zu erstellen. Ansonsten drohe die Zwangsverwaltung durch Dresden und somit entweder die Einstellung der beiden Straßenbahnlinien der Stadt oder aber die Schließung des Theaters.
Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Stadt, die Bürger versammelten sich im Theater um zu diskutieren, genaue Informationen zur Lage zu bekommen und vielleicht Lösungsansätze zu finden. An diesem Abend war das Theater bis auf den letzten Platz gefüllt. Es folgten Demonstrationen, empörte Leserbriefe, die in der Lokalzeitung gedruckt wurden... ihr Theater wollten sich die Görlitzer nicht nehmen lassen.
Der Haushalt wurde im 2. Anlauf genehmigt, trotzdem zitterten die Mitarbeiter des Theaters nach wie vor um ihre Stellen. Das Geld war knapp, die Zukunft des Kulturbetriebes ungewiss. Es wurden Wege gesucht, die Kosten irgendwie zu reduzieren. Eine geplante Opernpremiere wurde abgesagt und durch ein (sehr erfolgreiches und vor allem günstigeres) Wunschkonzert ersetzt und schließlich setzte die Belegschaft den Rotstift bei sich selbst an. Die Mitarbeiter verzichteten in Zukunft auf bis zu 12% ihres eh nicht sehr hohen Gehalts um das Theater für die Görlitzer Bevölkerung erhalten zu können.
In den Jahren, die seitdem vergangen sind, stand der Erhalt des Theaters immer wieder zur Debatte. Der aktuelleste Rettungsversuch resultierte in der Fusion der drei Theater des Landkreises – das Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau, das Deutsch-Sorbische Volkstheater Bautzen und das Musiktheater Oberlausitz-Niederschlesien Görlitz. Vor allem Verwaltunsgkosten sollen durch diese Fusion gespart werden. Doch auch diese Rettungsaktion steht – mal wieder – auf der Kippe:
„Noch stehen diese Zahlen nicht fest. Mittelsachsen dürfte gut eine Millionen Euro mehr erhalten, die Lausitz und Westsachsen hingegen entsprechend weniger. Demnach wird die Unterfinanzierung einiger Kulturräume in Summe sehr stark steigen. Für die Lausitz bedeutet das unter anderem, dass die aktuelle Theaterfusion Görlitz-Zittau zu platzen und damit das Aus mindestens einer Bühne droht.“ (Sächsische Zeitung, 13.11.2010)

Die vor ein paar Jahren drohende Schließung hat der Görlitzer Bevölkerung ihr Theater wieder ins Bewusstsein gerufen. In der Stadtpolitik geht man seit dem etwas liebevoller mit dem Theater um. Wohl nicht zuletzt, weil inzwischen nicht nur 2 Solisten und der aktuelle Intendant des Theaters im Stadtrat sitzen und der vormalige Intendant der derzeitige Bügermeister für Kultur ist.
Ich wünsche dem Theater Bonn, dass die gegenwärtige Debatte ähnliche Reaktionen in der Bevölkerung auslöst, wie damals in Görlitz, die Bonner ihr Theater verteidigen und die Politik sich schnell Gedanken über andere Lösungsmöglichkeiten macht.
Natürlich ist es schwierig, Einsparungen durchzusetzen. Irgendwem werden sie immer weh tun. Aber warum bekommen das immer als erstes die Kulturbetriebe zu spüren und warum scheint es so selbstverständlich, dass man auf ein Theater am ehesten verzichten kann?



Die besten Wünsche nach Bonn und in die Lausitz!
Euer Ephraim

Blog zur aktuellen Lage in Bonn: http://theaterbonn.wordpress.com/2010/11/12/der-ernstfall-ist-da/
Lesenswert auch: http://www.smwk.sachsen.de/download/Gutachten_TuO.pdf

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