die kleinen Dinge

Eine Ergänzung zum letzten Beitrag:
nicht dass ihr glaubt, ich würde alles nur negativ sehen oder gar alle über einen Kamm scheren. Es ist ja nicht so, dass alle gleich sind. Ich kenne viele liebe Menschen! Menschen, die mir liebe Streicheleinheiten gönnen, die an meinen Frühstückskaffee bei Fototerminen denken, die mir in Fernsehinterviews eine Stimme geben, Menschen, die fragen, wie es mir geht und es nicht nur um der Höflichkeit willen fragen, sondern es wirklich wissen wollen.
Gestern ging es mir um die Einstellung der sogenannten „Gesellschaft“ gegenüber ihrer Umwelt und ich hoffe schon, dass sich der eine oder andere vielleicht angesprochen gefühlt und ein bisschen nachgedacht hat.
Ich habe jedenfalls Hoffnung, und zwar immer dann, wenn ich erlebe, wie jemand seinen Lebensraum auf einmal bewusst wahrnimmt. Das kann jeder. Und wenn es jeder immer ein bisschen öfter macht, ändert sich vielleicht etwas an dieser Einstellung gegenüber dem und denen, das und die um uns herum sind.
Was ich mit der bewussten Wahrnehmung meine? Nun, wie wäre es zum Beispiel mit folgender Übung: wenn ihr am Morgen das Fenster öffnet, macht doch mal die Augen zu und holt einmal ganz tief Luft. Wie fühlt sich das an, diese frische Morgenluft in der Nase zu haben? Riecht sie nach Herbst und Nebel oder gar schon nach Schnee? Ist sie kalt oder wärmer als erwartet?
Ich beobachte die Menschen gerne... am liebsten in einem Park oder auf einem Markt. Im Park merkt auf einmal jemand, wie kahl die Bäume schon sind oder wie sich die kleinen Nebelwassertröpfchen an den Kiefernadelspitzen sammeln. Plötzlich hält jemand inne, schaut nach oben in den grau verhangenen Novemberhimmel, sieht ein wenig Blau durchschimmern und geht selig lächelnd weiter.
Auf dem Markt bleibt jemand stehen, weil er oder sie auf einmal etwas Gutes gerochen hat, das ihn (oder sie) aus dem Alltagstrott herausgerissen und kurz auf andere Gedanken gebracht hat.
Ich habe Spaziergänger an der Alten Donau gesehen, die fasziniert die Krähen bei ihren kreativen Versuchen beobachten, die Walnüsse zu knacken. Habt ihr euch das schon mal angeschaut? Die einen lassen sie aus großer Höhe auf den Asphalt fallen, andere platzieren sie wohl überlegt auf dem Radweg, offensichtlich in der Hoffnung, dass die Nuss ihre Köstlichkeiten preisgibt, wenn jemand drüberfährt. Angeblich gibt es sogar Kandidaten, die den Nutzen der Ampelphasen ergründet haben, die Nüsse bei Rot auf der Kreuzung liegen lassen und sich die Brösel bei der nächsten Rotphase abholen.
Man kann durch die Stadt gehen und dabei an seinen nächsten Termin denken, sich in Gedanken über den Chef aufregen, der die Überstunden einfach nicht dankt oder sich ärgern, dass die S-Bahn schon wieder Verspätung hatte und so am Ziel ankommen ohne etwas vom Weg bemerkt zu haben. Man kann aber auch mit offenen Augen durch die Welt gehen und einen Blick für Dinge entwickeln, die vielleicht jetzt nach Kleinigkeiten klingen... aber wisst ihr, was an diesen Kleinigkeiten toll ist? Selbst wenn die S-Bahn ausgefallen oder der Chef grußlos an mir vorbeigegangen ist (was er sich natürlich nie trauen würde), habe ich an dem Tag irgendetwas gesehen oder gehört oder bemerkt, was mich fasziniert, vielleicht zum lachen gebracht hat und ich kann trotz allem Ärger sagen, dass ich einen schönen Tag hatte.
Ja, ich glaube dieses Bewusstsein für diese „kleinen Dinge“ wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es muss nicht immer alles größer, schneller und besser sein. Auch eine erste kleine Schneeflocke ist es wert, bewundert zu werden.

Viel Spaß beim Hinschauen wünscht
Euer Ephraim

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