Lagebericht - 2.Teil

Die Vorstellung hat begonnen, rund um „meinen“ Requisitentisch herrscht geschäftiges Treiben. Auf der Bühne werden die Positionen fürs Opening eingenommen, genau beobachtet von Lili, Florian und Brigitte. Lili und Florian schauen ganz genau auf die Choreografie, Brigitte wartet auf die Kinder, die bei „Dolly“ mitspielen dürfen.
Der Ballon schwebt herunter, eine kurze Schrecksekunde: der Ballonkorb ist leer! Wo ist Dolly??!
...puh, alles gut, sie hat sich nur kurz versteckt. Meine Güte, was so ein kleines Bärenherz alles aushalten muss! Weiter geht’s im Stück.
Der Herr Direktor tanzt und singt – ich bin begeistert! Ich muss das jetzt mal loswerden: ein Direktor, der nicht nur in seinem Büro sitzt sondern selbst mit vollem Einsatz auf der Bühne steppt, ist ja wohl etwas wirklich Besonderes und für die Volksoper ein großer Gewinn!
Dolly beginnt ihren Horace um den Finger zu wickeln und es ist schön zu hören, dass auch das Publikum langsam lockerer wird und Spaß an der Vorstellung hat.
Die größte Freude haben wir hinter der Bühne dann wohl während der Hutladenszene. Nach einem superschnellen Umbau von Yonkers auf New York geht es auch schon los!
Spätestens, wenn Cornelius und Barnaby sich vor Mr. Vandergelder verstecken, lachen wir hinter der Bühne genauso mit, wie die Zuschauer davor. Langweilig wird es nie, egal wie oft wir es schon gesehen haben... und wenn Dolly dann auch noch die Bühne betritt und versucht, Schlimmstes zu verhindern, müssen wir uns wirklich Mühe geben, nicht zu laut zu lachen, um die Kollegen auf der Bühne nicht zu stören.
Wisst ihr, ich finde es großartig, dass „Hello Dolly“ so viel gute Laune verbreitet und zwar nicht nur im Publikum...
Während dem großen Tanz versammelt sich der Chor bei mir. Auch ich bekomme immer ein Fähnchen für die Parade, damit ich an der Seite ein bisschen mitmarschieren kann. Langsam aber sicher kann ich die Tanzschritte recht gut!

Der Vorhang fällt, die Pause beginnt und mein Weg führt wieder zu den Soligarderoben um die Kollegen zu begrüßen, die erst im 2. Akt spielen und im Laufe des 1. Akts eingetroffen sind. Nach einem kurzen Schwätzchen in der Kantine geht es auch schon wieder weiter. Die Herren von der Technik und der Requisite waren in der Pause fleißig und haben die Bühne in den eleganten „Harmonia Gardens“ verwandelt, die Menüs hergerichtet, die roten Rüben geschnitten und viele, viele Requisiten an ihren Platz gestellt.
Ein kurzer, prüfender Blick auf beide Seitenbühnen, ich nehme meinen Beobachtungsposten wieder ein, John seinen Platz vorm Orchester auf geht’s in die zweite Runde!

Ich mag den 2. Akt sehr. Die witzigen Dialoge, die Verwirrungen, unsere köstliche Ernestina Money, die flotten Kellner und Balletteinlagen...
Aber am meisten freue ich mich immer auf einen ganz großen Auftritt. Ihr habt sicher schon erraten, welchen Auftritt ich meine und wenn ihr das Stück gesehen habt, wisst ihr auch warum: die „Dolly-Nummer“ ist einfach sensationell! Die Musik macht Lust, sich zu den Kellnern zu stellen und mitzutanzen, Rudolph rührt uns alle mit seiner aufrichtigen Freude, Dolly endlich wieder zu sehen und Dolly versprüht so viel Energie und Freude, dass auch auf den Seiten jeder gebannt auf die Bühne schaut und diese Nummer genießt. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Kollegen extra früh aus den Garderoben herunter zu ihren Auftritten kommen, nur um diese Nummer zu hören und zu sehen!
Horace tut mir in den nächsten 20 Minuten ehrlich gesagt ein bisschen leid. Der Arme. Mag keine roten Rüben, bekommt sie bergeweise auf den Teller, hat kein Geld mehr um sie zu bezahlen und wird dafür letztlich auch noch ins Gefängnis gesteckt! (Ich finde es ehrlich gesagt sehr gut, dass der Herr die roten Rüben verschmäht! Ich mag sie nämlich sehr und freue mich dann immer über den vollen Teller, der während der Gerichtsszene gemeinsam mit allen anderen Restaurantutensilien abgeräumt wird. Wenn Horace sich meine Dolly schnappt, schnapp ich mir eben seine roten Rüben!)
Der „Moment“: es wird romantisch auf der Bühne, hinter der Bühne wird ganz leise mitgesungen und -geträumt. Nach der aufregenden Harmonia-Gardens-Szene kehrt langsam wieder Ruhe ein. Die Herren von der Requisite räumen auf, die Bühnentechniker warten auf den Schallvorhang, der nach der Gerichtsszene dafür sorgt, dass Dolly sich in Ruhe von Horace verabschieden und hinter dem Vorhang trotzdem ein recht lauter und schneller Umbau stattfinden kann.
Winke winke“ … was soll ich sagen, ich LIEBE diese Nummer! Ich schau sie mir gern vom Beleuchterschlitz aus an und denke mir dann immer „Oh ja, sie haben Dolly einfach perfekt besetzt!“ Ich bin immer wieder begeistert, wie Sigrid es schafft, alle mitzureißen! Ich finde, bei ihr schaut man nicht nur zur Bühne, hört sich die Musik an und denkt sich „Nun ja, ist ja nur Theater, wenn der Vorhang fällt, ist alles wieder gut.“ Im Gegenteil! Ihre Dolly ist so glaubhaft, geht so nahe, dass man schnell vergisst, dass der arme Robert Meyer ihr in Wirklichkeit ja gar nichts getan hat, dass alles wirklich „nur“ Theater ist! (Und ich weiß von vielen Zuschauern, dass ich mit meiner Meinung und meiner Begeisterung nicht allein bin.)
Ein Gänsehautmoment folgt im Finale: „....ich habe sie längst gefunden und wissen Sie, verdammt noch mal, wer das ist? ...Sie.“ Es ist ein herrlich kitschiges Happy End, ich weiß. Aber ich freue mich jedes Mal wieder drüber!
Der Schlussapplaus ist an jedem Abend die schönste Belohnung! Es tut gut zu hören, dass auch die Zuschauer zwei schöne Stunden im Theater verbracht haben und ich freue mich wirklich sehr für die Kollegen, dass das Publikum ihnen so viel Beifall spendet.
Es war ein wunderschöner Abend mit lieben Kollegen, den wir in gemütlicher Runde in der Kantine ausklingen lassen. Nächste Woche sehen wir uns wieder!

Einen ruhigen Sonntag – mit oder ohne Sonntagsanzug – wünscht
Euer Ephraim.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen