bunte Knöpfe mit viel Verantwortung

Nach langer Fahrt bin ich angekommen. Durch Prag und Dresden bin ich gefahren (leider sieht man aus dem Zug nicht so viel von den beiden schönen Städten) und endlich in Görlitz angekommen.
Auch da gibt es übrigens ein Musiktheater und ich bin schon gespannt, was mich dort in den nächsten Tagen erwartet. Keine Angst, ich werde der Volksoper nicht abtrünnig, ich schau mir nur interessehalber auch gern mal andere Häuser an. Am Donnerstag werde ich auf jeden Fall das dortige Weihnachtskonzert besuchen und vielleicht mal einen kleinen Blick hinter die Kulissen werfen. Als Theaterkollege sozusagen.
Angemeldet habe ich mich jedenfalls schon mal.

(Copyright: Michael Weber)
Wie schon berichtet, durfte ich am vergangenen Sonntag am Inspizientenpult assistieren. Ehrlich gesagt, hatte ich das schon lange mal vor (diese vielen bunten Knöpfe und Hebel und Schalter sind für einen kleinen Bären unglaublich faszinierend) und habe deshalb das Angebot von unserem Inspizienten Michael Weber , mal bei ihm vorbei zu schauen – ganz schnell angenommen.
Im Prinzip ist der Inspizient die wichtigste Person einer jeden Vorstellung. An diesem Pult mit den vielen bunten Schaltern, laufen alle Fäden zusammen. Und das sind ziemlich viele Fäden.
Der Inspizient ist schon bei den Proben dabei. In der Regel gibt es schon recht am Anfang des Probenprozesses eine Inspizientenbesprechung, wo Grundsätzliches geklärt wird. Wird die Bühne gedreht? Wenn ja, wann, wie weit, wie lang, wie oft, und so weiter. Wann fällt der Vorhang, wann hebt er sich, gibt es Pyrotechnik, gibt es Filmeinspielungen.... die Liste ist endlos. Alles das sind Vorgänge, die über dieses Pult laufen.
Von Beginn der Bühnenproben ist der Inspizient dann immer anwesend. Er schreibt in seinem Buch alles mit, was wirklich wichtig ist. Das sind zuerst einmal Auftritte und auch Abgänge.
Im Zuge der technischen Einrichtungsproben bekommen unsere Inspizienten dann richtig viel zu tun. Jede Lichtstimmung bekommt eine Nummer. Diese Nummern müssen an jedem Abend zum richtigen Zeitpunkt anlaufen, sonst kommt im Stück etwas durcheinander. Jede Nummer muss also genau eingetragen werden. Manche bekommen Stichworte zugewiesen, manche einen bestimmten Takt, manche laufen, wenn der Dirigent den Einsatz gibt... aber nicht nur die Lichtstimmungen werden durchnummeriert, auch die Drehbühne (wenn sie im Einsatz ist) wird ganz genau protokolliert. Gemeinsam mit dem Regisseur wird die Bühne auf die richtige Gradzahl eingestellt und diese Gradzahl zusammen mit einer laufenden Nummer im Computer gespeichert. Unter Nummer 3 könnte die Bühne zum Beispiel auf 50° drehen. Sagt der Inspizient dann diese Nummer während der Vorstellung an, wird gedreht. Auf exakt 50°. Jeden Abend.
Diese Nummern bekommen auch Aktionen, die vom Schnürboden aus laufen. Das können zum Beispiel wie bei „Hello Dolly“ Heißluftballone sein, die heruntergelassen werden, das sind Prospekte, diverse Hänger, Vorhänge und viel, viel Flitter.
Diese Nummern heißen auch „Zeichen“ und diese Zeichen werden auf Bildschirmen angezeigt. Der Bildschirm hat eine Unterteilung für Ton-, Licht- und Technikzeichen. Angekündigt werden sie rot, das heißt „Achtung, gleich geht’s los“ und sobald die Farbe auf grün wechselt, darf und soll zum Beispiel der Flitter gestreut werden. Manchmal werden diese Nummern auch durchgesagt (das hören dann nur die Herrschaften vom Licht oder Ton oder der Technik, je nachdem, wen es betrifft und dann heißt es zum Beispiel „15.... ab!“.
An so einem Abend verlässt sich dann wirklich jeder auf die Inspizienz. Auf der (vom Zuschauerraum aus) linken Seite befindet sich das Inspizientenpult. Dort sitzt einer der beiden Inspizienten, die am Abend da sind. Auf der anderen Bühnenseite steht der zweite Inspizient (und hat an einem Abend viel zu laufen, weil fast jeder Auftritt persönlich betreut wird).
Das erste, was wir am Abend vom Inspizienten hören, ist „Guten Abend, es ist eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn und ich begrüße alle zu ...“ Die Klingelzeichen, die auch die Zuschauer hören, werden ebenfalls vom Inspizienten gegeben. Das Zeichen hören auch wir hinter die Bühne und es heißt auch für uns „Bitte langsam die Plätze einnehmen“. Dann geht es weiter mit „Ich bitte das Orchester Platz zu nehmen und ich bitte zum Beginn des 1. Aktes auf die Bühne: ...“. In der Kantine leuchtet dann auf der Anzeige in bunten Farben alles auf, was eingerufen wird: Ballett, Statisterie, Solisten, Orchester, Technik.... und so weiter.
Diese Einrufe sind sehr wichtig. Hinter der Bühne wäre während der Vorstellung ja viel zu viel los, wenn jeder dort bleiben und auf seinen nächsten Einsatz warten würde. Die meisten warten in ihren Garderoben auf die Auftritte und es ist die Aufgabe des Inspizienten, sie rechtzeitig zur Bühne zu rufen. Auch das Zeichen für Auftritte oder das Scheppern im Scherbenkübel kommt von den Inspizienten. Sie schauen, ob der Schauspieler alles dabei hat, was er auf der Bühne braucht (Taschen, Geldbörsen, Pralinenschachteln, Kugelschreiber, Wechselgeld... so kleine Dinge, die man gern vergisst) oder bringen Requisiten zur Gasse, aus der aufgetreten wird, reichen ein Glas Wasser für zwischendurch und finden immer noch Zeit für einen kleinen Plausch.
Passiert während Proben oder Vorstellungen etwas Unvorhergesehenes oder wird irgendwo ganz schnell jemand vom Ton oder einer anderen Abteilung gebraucht, wird ein Verantwortlicher vom Pult aus eingerufen und dort hingeschickt, wo es ein Problem gibt.
Und für diese unzähligen Aufgaben braucht es eben die vielen bunten Knöpfe am Pult und vor allem volle Konzentration, denn jeder verlässt sich darauf, dass der Inspizient die richtigen Zeichen zur genau richtigen Zeit gibt und so das Stück reibungslos abläuft.

Ich finde, die Inspizienten haben sich mit ihrer Arbeit eine wirklich große Runde Applaus verdient!

Ich bin von meinem Praktikumstag jedenfalls sehr beeindruckt zurück gekehrt. Und sehr stolz – ich durfte nämlich den Hauptvorhang bedienen :)

Besten Dank an unsere vorbildlichen Inspizienten an der Volksoper für ihre Arbeit und danke auch für den tollen Tag und die schönen Fotos!
Euer Ephraim

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