zeitlos

Die Zeit. Eine merkwürdige Sache. Wie wäre das Leben nur ohne Uhren?
Uhren gibt es ja schon lange. Nur den Stress gibt es glaube ich erst, seit irgendjemand auf die grandiose Idee gekommen ist, einen Sekundenzeiger zu erfinden. Ganz am Anfang hatte die mechanischen Uhren nämlich nur Stundenzeiger.
Ich fände das super! ...den Tag nicht nach Minuten planen zu müssen, nicht ganz nervös an der Bushaltestelle zu stehen weil der Bus, statt alle 3 Minuten, heute ausgerechnet nur alle 5 Minuten kommt! Der morgendliche Stau auf der Tangente wäre gar nicht mehr so schlimm und man könnte sich, statt ständig auf den Sekundenzeiger seiner Armbanduhr zu schauen, endlich ein bisschen Zeit nehmen. Ja, einfach nehmen.
Zeit um am Morgen noch kurz der Nachbarin zuzuhören, die man gerade im Stiegenhaus getroffen hat, Zeit für eine zweite Tasse Tee bevor man aus dem Haus geht. Zeit für einen neuen, vielleicht ein kleines bisschen längeren Weg zur Arbeit. Zeit, den Kollegen zu fragen, wie es ihm tatsächlich geht. Zeit, die angefangene Arbeit in Ruhe zu erledigen, anstatt mit Schlag fünf aus dem Bürosessel zu springen und alles fallen zu lassen. Zeit für sich selbst ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, weil jemand schon seit 5 Minuten auf etwas wartet.
Was sind schon 5 Minuten?
Manchmal frage ich mich, was wir nicht alles verpassen in unserer Eile von A nach B. Manchmal frage ich mich, was wir eigentlich zu gewinnen glauben, wenn wir uns ständig beeilen, versuchen, alles noch schneller und effizienter zu machen und zehntelsekundengenau einzustellen.
Ich glaube, wir hätten viel mehr von allem, wenn wir bei dem was wir tun, nicht immer auf die Uhr schauen würden oder den Zeiger im Hinterkopf ticken hörten.
Ich wäre zum Beispiel mal für einen uhrenfreien Tag. Das wäre was! Ich fände es spannend, zu sehen, was passieren würde, wenn es mal einen zeitlosen Tag gäbe.... ob ein gewisser Herr Georg Simmel recht hatte, als er 1903 schrieb, dass „das Ganze in einem unentwirrbaren Chaos zusammenbrechen würde“ wenn „alle Uhren in Berlin plötzlich in verschiedene Richtungen falsch gehen würden, auch nur um den Spielraum einer Stunde (...)“
Ich glaube ja, dass so etwas nicht unbedingt nur Chaos mit sich brächte sondern durchaus interessante Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen haben könnte.
Nachdem es ja auch den Tag des Butterbrots und des Taschentuch gibt, wäre ich für die Einführung eines „Tages der Zeit“, an dem es jeder Uhr freisteht, zu tun und zu lassen, was sie will... ich wäre dafür. Nur muss es vielleicht nicht unbedingt ein Tag sein, an dem ich mit kalten Füßen an der Haltestelle stehe und verzweifelt auf den Bus warte.

Einen schönen Abend wünscht
Euer Ephraim



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