Alles im Leben ist Spaß. Relativ gesehen.

Theater in der Josefstadt: Campiello


Da sitz ich nun zum ersten Mal in meinem Bärenleben im Theater in der Josefstadt und fühle mich von dem mit Goldfarbe und rotem Samt überladenem Zuschauerraum ein bisschen erschlagen. Den tristen Campiello in Mestre/ Venedig kann ich mir in diesem Rahmen noch nicht so recht vorstellen.
Doch der rotgoldene Saal und seine weichen Sessel sind schnell vergessen, sobald das Licht ausgeht und das Stück beginnt.
Es schneit in Venedig, es sieht aus, als wären wir pünktlich zum Karneval eingetroffen. Auf der Bühne stehen maskierte Puppen, mit denen der weißgekleidete Cavaliere sein Spiel spielen wird. Er verdreht den Damen den Kopf, schaut ihnen unter den Rock... Die Stimmung ist noch weihnachtlich und friedlich, allerdings hat der Cavaliere die Rechnung ohne die Herrschaften gemacht, die unter den venezianischen Masken stecken und in den nächsten eineinhalb Stunden darf man gespannt beobachten, wer nun eigentlich mit wem spielt.
Die Damen des Campiello wissen den Besuch des Cavaliere für sich zu nutzen. Schneller als dem Herren lieb ist, ist er gleich mit zwei Frauen verlobt – nur leider nicht mit denen, die er gern gehabt hätte. Verlobt ist er nur mit den Müttern und muss das Verlobungs- und das Hochzeitsfest der beiden Töchter zahlen, denen er seine Ringe aus dem Kaugummiautomaten eigentlich zugedacht hatte.
Für den Cavaliere alles nur ein Spaß: er hat kein Geld und nichts zu verlieren. Ein in seinen Augen harmloses Spiel, für die mittellosen Bewohner des Campiello jedoch ein grausames.
Zwar steigt der Cavaliere am Ende des Stückes mit einer Mitgift, bezahlten Rechnungen und einer Frau aus... doch ob die abgehobene Gasparina wirklich ein Gewinn ist, wage ich zu bezweifeln. Da bliebe ich lieber am Campiello und genösse das Leben, so bescheiden es auch sein mag.

„Campiello“ verbreitet gute Laune im Publikum, man lacht gern mit seinen Bewohnern, die aus dem Wenigen, das sie haben, das Beste machen. Daniela Golpashin als Gnese und Stefano Bernardin als Zorzetto sind ein wirkliches niedliches, liebenswertes Paar. Vor allem Daniela Golpashin fällt mit ihrer erfrischend natürlichen Art auf. Die Fäden an dieser Geschichte ziehen neben dem Cavaliere (Andre Pohl) vor allem die beiden Mütter Catte und Pasqua – jeweils hervorragend: Sigrid Hauser und Andrea Händler. Diesen beiden Damen gehört – zu recht – der Abend. Mit Temperament und entsprechender Gestik versetzen sie einen tatsächlich nach Italien. Doch sie sind nicht nur laut, sie beherrschen auch die leisen Töne. Sie berühren, wenn sie am Ende feststellen, dass sie vielleicht keinen Ehemann mehr bekommen aber immerhin noch einander haben. Diese Ende ist ernüchternd und schön zu gleich, man weiß nicht, ob man mit den beiden lachen oder, ob der begrabenen Träume von einem besseren Leben, weinen soll.

In jedem Fall war es ein kurzweiliger, sehr amüsanter Abend und ich kann einen Besuch dieses Stückes nur empfehlen! Termine gibt es hier: Theater in der Josefstadt

Nur eins hat mir zu meinem Glück heut abend gefehlt: eine echte italienische Pizzeria für die Stärkung nach der Vorstellung. Kein schickes Innenstadtlokal, sondern eins, wie man es zum Beispiel in Travestere in Rom oder hinterm Fischmarkt in Catania finden würde: vor dem Lokal eine Bank, auf der die Großväter sitzen und über die Jugend von Heute philosophieren, drinnen weiße Plastiksessel, wacklige Tischchen mit Wachsdecken und die beste Pizza, die ich je gegessen habe!

Für Lokalempfehlungen in Wien bedankt sich im Voraus
Euer Ephraim.

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