...ein Nachtrag

Alles hat zwei Seiten. Auch der Beruf des Kritikers. Nach meinem letzten Blogeintrag hab ich mir noch ein paar Gedanken gemacht und stellenweise das Gefühl gehabt, vielleicht nicht ganz gerecht gewesen zu sein...
Ich merke es ja selbst, wenn ich schreibe... ich fange an zu überlegen, was den Leser (sofern es einen gibt) denn interessieren könnte. Ich kann mir gut vorstellen, dass es den Zeitungskritikern ähnlich geht, dass sie vielleicht nicht immer ihre tatsächliche eigenen Eindrücke wiedergeben, sondern schreiben, wovon sie glauben, dass es der Leser lesen möchte. Einem Theaterkritiker darf man ja in der Regel einen gewissen Bildungsstand unterstellen, vor allem, was Inszenierungsgeschichte, Theatertheorien, usw. anbelangt. Möglich, dass von seinen Artikeln erwartet wird, dass diese Artikel diese Bildung auch irgendwie spiegeln, dass sie gewisse intellektuelle Ansprüche befriedigen sollen. Und schon sitzt der Herr oder die Frau Kritiker/In in einer Vorstellung und fängt an, sich ein Stück unter vollkommen anderen Gesichtspunkten anzuschauen als jemand, der hingeht um einen schönen Abend zu haben. Denn die Eindrücke, die man in den kommenden zwei Stunden gewinnt muss man nachher in einen Artikel verwandeln, der dem Chefredakteur gefällt (schließlich muss man ihm beweisen, dass die Einstellung berechtigt war) und den Lesern hoffentlich auch. Wer möchte nicht gefallen?
Ich schätze also, dass so ein Kritiker unter keinem geringen Druck steht. Er darf eben scheinbar nicht nur schreiben, wie ihm das Stück gefallen hat, er muss auch Bühnenbild, Kostüme, das Schauspiel, die Inszenierung bewerten und einschätzen können, und zwar auf Basis von Wissen.
Und doch lesen sich die Rezensionen so, als würde der Autor seine eigene Meinung wiedergeben. Wer würde auch einen theaterwissenschaftlichen Artikel lesen wollen, wenn er sich einen Eindruck einer aktuellen Inszenierung verschaffen möchte? Und genau da habe ich ein Problem: mag sein, dass eine Inszenierung unter gewissen analytischen Aspekten nicht so gelungen war... ist es trotzdem ein unterhaltsamer Abend gewesen? Ja? Warum wird es dann nicht geschrieben? Denn schließlich werden Kritiken von den meisten Zeitungslesern doch gelesen um vielleicht zu entscheiden, ob sie sich das besprochene Stück ansehen wollen oder nicht.
Tja, wenn ich mir das so überlege, bin ich wirklich froh, keine Kritiken schreiben zu müssen!

Schönes Wochenende!
Euer Ephraim

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