Sehnsüchte & Erbschleicher

Gestern hatte die neue Volksopernproduktion „Der Mantel & Gianni Schicci“ Premiere und ich war natürlich dabei!
Lasst es mich vorweg nehmen: ein Besuch lohnt sich! Es ist ein toller, äußerst kurzweiliger Abend.

Gespielt werden an diesem Abend zwei kurze Puccini-Opern, beide erzählen von Sehnsüchten und Leidenschaften. Und doch können die beiden Teile des Abends nicht unterschiedlicher sein.
Den Anfang macht „Der Mantel“. Es herrscht Dämmerung und Müdigkeit nach einem langen Arbeitstag an einem Hafen in Paris. Giorgetta, die Frau des Schiffbesitzers Michele sehnt sich zurück nach ihrem Leben in Belleville, fort vom unsteten Leben eines Schiffers. Michele seinerseits sehnt sich nur nach der Liebe seiner eigenen Frau. Die Hamsterin möchte endlich eine eigene kleine Hütte haben, Hering will nicht mehr denken und Luigi möchte Giorgetta nicht mehr mit ihrem Mann teilen müssen. So treffen in diesem Pariser Hafen Sehnsüchte aufeinander, die so verschieden gar nicht sind, sprechen sie doch alle von dem Wunsch nach einem Stück Heimat und Geborgenheit.
Geborgenheit verspricht auch ein Mantel, der sich einmal schützend um die kleine Schifferfamilie – Michele, Giorgetta und ihr Kind – gelegt hat. Es ist der Verlust dieses Kindes, der die Kluft zwischen Michele und Giorgetta erklärt.
Als Giorgetta Michele schließlich bittet, sie doch wieder unter seinen schützenden Mantel zu lassen, findet sie darunter jedoch statt Geborgenheit ihren toten Liebhaber Luigi.
Es ist eine sehr emotionale Oper, voller kleiner dramatischer Höhepunkte und einem atemlosen Finale. Die Szene wirkt trotz ihrer Einfachheit erdrückend, jeder will auf seine Weise fort in ein anderes, ein neues Leben und doch gibt es außer dem Schiff und der Kaimauer nicht viel, wohin sie gehen könnten. Die Dämmerung, in der am Beginn noch die Hafenarbeiter schuften und die so fast ein romantisches Bild gibt, wird zum bedrohlichen Zwielicht.
Eine hervorragende Ensembleleistung von Melba Ramos, Sebastian Holecek, Michael Ende, Karl-Michal Ebner, Dirk Aleschus, Alexandra Kloose und Paul Schweinester. Nicht zu vergessen Daniel Strasser und Lidia Peski als sehnsuchtsvolles Liebespaar.
Der große Applaus am Ende dieser ersten Hälfte war mehr als verdient!

Nach einer Pause von dieser emotionalen ersten Hälfte, folgt der zweite Teil „Gianni Schicci“. Schon musikalisch ist ein Bruch zu spüren, startet diese Oper doch weitaus beschwingter als zuvor „Der Mantel“. Und es bleibt beschwingt und vor allem lustig. Im hell erleuchteten Sterbezimmer des Buoso Donati erzählt das Stück von Verwandten, die über die Testamentseröffnung vollkommen auf den „armen Buoso“ vergessen und stattdessen ihre Träume von Reichtum betrauern, die sie – ginge es nach diesem Testament – begraben müssten. Doch zum Glück gibt es den gerissenen Gianni Schicci, der einen Einfall hat, wie das Geld des verstorbenen Buoso doch noch an seine Verwandten gelangen kann und auch er selbst nicht ganz unvermögend aussteigt. Ich will von den folgenden Verwicklungen nicht zu viel verraten, nur dass es herrlich viel zum Lachen gibt!
Auch hier wieder ein Ensemblestück, mit tollen schauspielerischen Leistungen. Herrausragend Martin Winkler als wunderbar komischer Gianni Schicci, Bernada Bobro als seine reizende Tochter Lauretta und Sebastian Reinthaller als deren Verlobter. Die habgierige und dabei so komische Verwandtschaft des Buoso Donati: Sulie Girari, Christian Drescher, Edith Lienbacher, Jan Martinik, Andreas Daum, Daniel Schmutzhardt und Martina Mikelic, sowie Hermann Lehr als bleiche und sehr bewegliche Leiche Buoso Donati. Weiters mit von der Partie: Paul Schweinester, Gyula Orendt, Mamuka Nikolaishvili, Christoph Velisek und als Kind Max Schachermayr.
Verdienten Applaus und Bravorufe bekam auch des Team rund um Regisseur Robert Meyer: Christof Cremer (Ausstattung), Guido Petzold (Licht) und das Orchester unter der Leitung von Enrico Dovico.

Ein wunderbar unterhaltsamer Abend, der dem Haus hoffentlich für einige Zeit erhalten bleibt!
Einen sonnigen Sonntag wünscht
Euer Ephraim.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen